Jericho-Posaune

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Corvinus
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Jericho-Posaune

Beitrag von Corvinus »

Hallo,
in einem alten Posaunenbuch 2 von Kuhlo (vermutlich 1920er Jahre) habe ich gelesen, dass man im Posaunenchor statt eines Helikons auch eine Jericho-Posaune in B (Kontra B á 85 Mark) einsetzen könnte. Weiter heißt es "Die Jericho-Posaune kostet mit 3 Zylinder-Ventilen 90 M (also 5 M. mehr), lässt sich dafür aber leichter handhaben und blasen." (dem Hinweis auf S. VII, kann ich leider nicht nachgehen, da es sich auf Band 1 bezieht, den ich nicht aus der Zeit habe)

Was ist eine Jericho-Posaune in Kontra B? Ist damit eine "normale" Kontrabassposaune gemeint und als Alternative eine Kontrabassventilposaune?

Viele Grüße
Corvinus
Jericho Posaune.jpeg

Mario Weller
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Re: Jericho-Posaune

Beitrag von Mario Weller »

Hallo Cornvinus,

eine schöne Frage, denn richtig klar formuliert ist das in dem Heftchen von Ernst David (für Johannes Kuhlo) nicht.

Meine Interpretation geht dahin, dass die Jericho-Posaune auf jeden Fall eine Kontrabass-Posaune mit Ventilen gewesen sein muss. Die explizite Erwähnung, dass diese mit 3 Zylinderventilen 5,- Mark mehr kostet, deute ich aber so, dass die "Grundversion" der Jericho-Posaune mit einer anderen Ventilart versehen war. Also sehr wahrscheinlich mit Perinet-Ventilen. Eine reine Zugposaune für nur 5,- Mark mehr mit 3 Zylinderventilen auszustatten, dass halte ich ob der damaligen Preise für eine Zylindermaschine eher für unwahrscheinlich. (Ich meine in den 1920er Jahren müssten selbst die einfachsten Zylindermaschinen in Graslitz nicht unter 13 Mark zu haben gewesen sein.)

Bitte nehmen Sie den Begriff "Jericho-Posaune" nicht so ernst oder vermuten dahinter ein besonderes, gar ein anderes Instrument. Schon um 1910 findet man, um Instrumente noch besser zu vermarkten, für die tiefe Baßstimme in Posaunenchören Bergiffe wie "Marschner-Bombardon", "Marschner-Helikon", "Mozart-Helikon", "Wagner-Helikon". Ebenso wurden dem potenziellen Musiker "Edel-Flügelhörner" oder "Waldtrompeten" angeboten, alles Werbung und um damit dem Kunden schön und wohlklingende(re) Instrumente zu verkaufen. In Wirklichkeit unterscheiden sich all diese Instrumente nicht wirklich von allem anderen, damals üblichen Instrumentarium.

Auch den Name "Siegfried" in Anspielung an Wagners Ring wurde da gerne verwendet. Auch das waren normale Instrumente, nur wurde der Namenszug "Siegfried" mit darauf graviert und in Katalogen dafür Werbung gemacht.


Über weitere Hinweise und Funde zu Jericho-Posaunen würde auch ich mich sehr freuen.


Mit freundlichen Grüßen

Mario Weller

Corvinus
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Re: Jericho-Posaune

Beitrag von Corvinus »

Hallo Herr Weller,
ich habe heute mal ein wenige anders gegoogelt (bisher kamen bei meiner Suche nach Jericho-Posaune eher Bibelstellen oder Kampfflugzeuge).

Hierbei bin ich auf einen Artikel eines Bläsers gestoßen der schreibt "Die Jericho-Posaune mit zwei Zügen. Damals als ich noch in Bethel war." https://www.nw.de/lokal/kreis_herford/l ... laeum.html Im Raum Bethel scheinen also ggf. früher Kontrabassposaunen mit doppelten Parallelzügen "Jericho-Posaune" genannt worden zu sein. Ich habe ehrlich gesagt so ein Instrument aber noch nie in einem Posaunenchor gesehen.

Dass solche Instrumente leichter mit Ventilen zu spielen sind, erscheint logisch (technisch ist es ja recht kompliziert 4 Rohre parallel zu bauen). Evtl. erklärt dies auch den geringen Preisunterschied zu einem Ventilinstrument. 4 parallele Rohre sind aufwendig zu konstruieren als eine Maschine. Die Maschine hingegen kostet in der Anschaffung grundsätzlich mehr. Daher könnte die Differenz von Ihren angedeuteten 13 Mark ggf. in der "Kunst" eine Parallelführung von 4 Rohren zu erstellen begründet sein.

Die "Jericho-Posaune" ist in "Angebot" von Ernst David nach meiner Meinung auch ziemlich teuer im Vergleich zur "normalen" Posaune (Tenorposaune 35 Mark, Jericho-Posaune 85 Mark). Gegenüber einem Helikon (165 Mark) aber ein "Schnäppchen" ;-)

Aber auch eine "Jericho-Posaune" (Kontrabassposaune) mit Ventilen habe ich noch nie in einem Posaunenchor erlebt. Im Tiefbass sind mir bisher in Posaunenchören nur Helikone und Tuben begegnet.

Viele Grüße
Corvinus

Mario Weller
Metallblasinstrumentenbaumeister
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Re: Jericho-Posaune

Beitrag von Mario Weller »

Hallo Corvinus,

ja, eine Jericho-Posaune könnte durchaus auch eine Doppelzugrohr-Posaune gewesen sein, dieser Gedanke schwebte auch schon, aber nur vorsichtig in mir. Schade, dass sich bisher generell noch nichts handfestes darüber finden lässt. Wenn Sie das Thema interessiert würde ich Ihnen raten, vielleicht mal mit Bethel in Verbindung zu treten. Könnte mir schon vorstellen, dass man dort noch etwas bis dato Unentdecktes verwahrt.


Mit freundlichen Grüßen

Mario Weller

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