Fagott Meinel und Herold

[Musikfreund]

Ich habe ein Fagott erworben, das die Bezeichnung "Meinel und Herold Musikinstrumentenfabrik Klingenthal" trägt. Das Baujahr wird zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg geschätzt. Nach bisherigen Vermutungen handelt es sich um ein Instrument des Herstellers Püchner, damals Grasslitz. Lässt sich rekonstruieren, von wem Meinel und Herold seinerzeit die Fagotte bezogen hat, denn selber haben sie ja keine gebaut. Wäre schön, wenn ich in dieser Frage weiter kommen könnte.

Carsten

[Dr. Enrico Weller]

Lieber Carsten,

die Firma Meinel & Herold hat viele Instrumente vertrieben, die im benachbarten Graslitz herstellt wurden. In einigen Bereiche (Akkordeons, Metallblasinstrumente, Zupfinstrumente) war man aber selbst als Hersteller tätig.
Nach meinem Wissen gab es im Holzblasinstrumentenbau geschäftliche und persönliche Verbindungen v. a. zum Firma Kohlert, die somit in erster Instanz als Hersteller Ihres Instrumentes in Frage kommt. Weitere Details könnte man noch mit den Nachkommen der Firma klären.

Viele Grüße
E. Weller

[Musikfreund]

Lieber Herr Weller,

vielen Dank für die schnelle Antwort. Kohlert hatte ich auch schon ins Gespräch gebracht, mein Instrumentenbauer war aber der Meinung, dass das nicht in Frage käme. Er hatte Fotos vom Instrument zur Firma Püchner geschickt, die hatten geantwortet, dass das Instrument gut von ihnen sein könne, genau könnten sie es aber nicht sagen.

Jetzt habe ich im Internet Fotos eines Kohlert-Fagottes gefunden, das vermutlich kurz nach dem 2. Weltkrieg gebaut wurde. Wenn ich die Ausführung der Mechanik mit meinem Instrument vergleiche, kann ich unheimlich viele Übereinstimmungen feststellen. Also lohnt es sich, die Spur "Kohlert" weiter zu verfolgen.

Haben Sie noch mehr Informationen über Kohlert, damalige Bedeutung, Qualität der Instrumente etc.? Mein Fagott ist jedenfalls trotz seines Alters von ganz hervorragender Qualität, klingt wie ein alter Heckel. Ich würde gern noch weiter forschen. Gibt es noch Nachfahren der Meinel u. Herold-Firma, die man befragen könnte, oder gibt es noch Familienmitglieder von Kohlert?

Vielen Dank für Ihre Bemühungen. Carsten

[Musikfreund]

Heute habe ich auf Fotos die Mechanik eines alten Püchner gesehen, seitdem tendiere ich auch wieder mehr zu Püchner als zu Kohlert. Es ist mehr Ähnlichkeit vorhanden.

Gibt es noch alte Geschäftsunterlagen von Meinel und Herold oder lässt sich aus den Katalogen etwas über die Herkunft entnehmen?

Carsten

[Musikfreund]

Es gibt noch einen weiteren Hinweis, der für Püchner spricht: In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, Graslitz lag nun in der Tschecho-Slowakischen Republik, hatten die Musikinstrumentenhersteller dort Schwierigkeiten, Ihre Instrumente im Ausland zu verkaufen. Sie bedienten sich dann Zwischenhändlern im Vogtland, so auch Meinel und Herold. In der von G. Joppig zum 100 jährigen Firmenjubiläum von Püchner erstellten Festschrift heißt es:

"Während dieser
Jahre übertrug die Firma Püchner die Exklusivrechte
für den Verkauf ihrer Instrumente in
Deutschland der Klingenthaler Firma „Meinel
& Herold“. Die Verkäufe erfolgten unter deren
Namen."

Danach hat es schon sehr enge Beziehungen zwischen M u. H. und Püchner gegeben.

Die sehr lesenswerte Festschrift, die auch einen guten Einblick in das Musikinstrumentenbauwesen in Graslitz gibt, ist übrigens auf der Homepage von Püchner als PDF-Datei abrufbar: http://www.puchner.com

Carsten

Carsten

[Dr. Enrico Weller]

Lieber Carsten,

die Festschrift habe ich auch, und wenn das mit dem Vertrieb der Püchner-Instrumente durch Meinel & Herold so steht, haben Sie sicherlich den zzt. besten Beleg für die Zuordnung Ihres Instrumentes. Herr Dr. Joppig wird diese Informationen mit Sicherheit direkt aus der Firma Püchner erhalten haben, ich nehme an, dass der Seniorchef diese Zusammenhänge noch aus persönlichem Erleben kannte.
Ich wäre nur mit der Formulierung "Exklusivrechte" etc. etwas vorsichtig. Das liest sich aus heutiger Sicht trotz der damaligen Wirtschaftslage zu schön, um ganz wahr zu sein. Denn dann hätte man sowohl Hersteller- als auch Händlerstempel anbringen müssen. Die hier gemeinte Praxis war aber die in unserer Gegend oft verbreitete der anonymen Herstellung und des Vertriebs durch Verleger/Fortschicker/Grossisten, die vor allem auch aus der Lage an der deutsch-böhmischen Grenze viele Vorteile gezogen haben. Bei vielen Instrumenten lässt sich daher der wahre Hersteller nicht mehr identifizieren, da oft viele verschiedene Handwerker für einen Händler tätig waren.
Beim Fagott würde ich das aber ausschließen, denn so viele Instrumente wurde nicht gebaut, so dass man sich in diesem Teil des Sortiments dann ausschließlich, und - wenn Sie so wollen - doch "exklusiv" beliefern ließ. Damit gab es auch für eine gute Qualität bessere Voraussetzungen.
Das war jetzt nur ein Kommentar meinerseits. Ich lasse Ihnen noch die Telefonnr. des letzten Mitinahbers der Firma Meinel & Herold als Privatnachricht zukommen, mit der Firma Püchner hatten Sie ja bereits gesprochen.

Viele Grüße
E. Weller